Wir Sportler stellen uns regelmäßig Herausforderungen, um uns selbst und unsere Fähigkeiten auf die Probe zu stellen. Für die Rennradfahrer unter euch stellen wir in diesem Beitrag den NorthCape4000 als nächste Challenge vor. Noch nie davon gehört? Unser Kollege Niklas hat sich diesem Abenteuer gestellt und berichtet von seinen Erlebnissen.
Das NorthCape4000 ist ein Ultracycling Event. Das Grundprinzip ist ganz einfach: Der Start ist immer irgendwo in Italien. Dann geht es entlang einer festgelegten Route bis ans Nordkap (Northcape) in Norwegen, dem nördlichsten Punkt von Europa. Also wortwörtlich 4.000 Kilometer bis ans Ende der Welt.
So läuft der NorthCape4000 ab
Für das Rennen ist jeder Teilnehmer komplett auf sich alleine gestellt und muss sein Equipment zum Fahren, Schlafen, Essen, etc. selbst am Fahrrad transportieren. Das macht das Rennen so besonders. Außerdem zählt nicht nur die reine Fahrzeit zum Rennen dazu, sondern auch die Zeit, die man zum Einkaufen, Pausen machen und Schlafen einplanen muss. Zur Überprüfung, ob sich jeder Fahrer an die Regeln hält, musste jeder einen GPS Tracker dabei haben und diesen dauerhaft anlassen. Somit konnte jeder Interessierte auch dauerhaft den aktuellen Standpunkt der einzelnen Fahrer online nachschauen.
Die diesjährige dritte Austragung des NorthCape4000 startete am 27. Juli um 8 Uhr in Turin. Besonders faszinierend fand ich die anderen 160 Mitstreiter mit ihrem Bike und individuellen Setups aus Bikepackingtaschen oder anderen Lösungen zu sehen. Ich war aufgeregt wie vor noch keinem anderen Rennen in meinem Leben. Dann war es soweit, der Startschuss erfolgte und wir Abenteurer machten uns auf den Weg gen Norden.
Checkpoint 1: Platz 6 in Straßburg
Die ersten 1.000 Kilometer bereiteten mir persönlich weniger Sorgen, da ich generell oft bergige Touren fahre und somit recht gut für das bergige Profil der Strecke trainiert war.
Nach 140 Kilometern hatten wir den Anstieg über den San Bernadino Pass mit circa 2.060 Höhenmeter bewältigt. Danach ging es weiter in Richtung Genfer See über diverse kleinere Anstiege. Ich fand sehr schnell mein Tempo und versuchte dieses beizubehalten. Das bedeutete auch, dass ich wenig Pausen einlegte, um keine Zeit zu verlieren. Ab und zu musste ich jedoch anhalten, um Proviant in einem Supermarkt oder einer Tankstelle für die nächsten drei bis sechs Stunden zu kaufen. Gegessen wurde dann meistens während der Fahrt auf dem Fahrrad. Im Laufe des Rennens konnte ich somit meine Pausenzeit auf durchschnittlich 15 Minuten pro vier Stunden senken.
Die erste Nacht schlief ich irgendwo an einer Bushaltestelle. Eher notgedrungen, da es auf einmal sehr stark gewitterte. Nach elf Stunden radeln im strömenden Regen erreichte ich dann Checkpoint 1 in Straßburg. Zu meiner eigenen Verwunderung lag ich hier auf Position 6. Damit hatte ich absolut nicht gerechnet, da mein Ziel für dieses Rennen ganz klar nur das Durchkommen war. Schnell hab ich mir den Stempel für die Karte geschnappt und weiter ging’s aufs Fahrrad.
Checkpoint 2: Mit Vivaldo in Bastogne
Der kommende Tag ging mit einem hügeligen Profil durch Frankreich, Luxemburg und Belgien zum zweiten Checkpoint in Bastogne weiter. Ich erreichte diesen am dritten Tag gegen Mittag gemeinsam mit Vivaldo, einem Italiener, welchen ich vor meinem Rennen kurz im Hotel kennengelernt hatte. Da wir relativ gleich stark waren, ergab es sich, dass wir fast fünf Tage zusammen gefahren sind. Da Windschattenfahren jedoch verboten war, mussten wir immer nebeneinander oder ein paar Meter hintereinanderfahren. Der dritte Tag endete nach fast 370 Kilometern in den Niederlanden und das weiterhin auf Position 6.
Nach den ersten 1.000 Kilometern ging es dann durch Deutschland. Das Profil der Strecke lag mir jetzt nicht mehr so, da es eigentlich bis zur Fähre einfach nur flach war. Mental ist es für mich ermüdend, 300 Kilometer einfach nur geradeaus zu fahren ohne jeglichen Anstieg. Die darauffolgenden zwei Tage durch Deutschland (Ruhrpott - Bremen - Flensburg) und Dänemark waren von Rückenwind und Regen geprägt. Jedoch konnten wir die Durchschnittsgeschwindigkeit hochhalten und erreichten am Donnerstagabend die Fähre im dänischen Frederikshaven.
Das Problem bei der Fährverbindung nach Oslo war die Taktung der Fähren. Verpasst man die einzige Fähre um 9.15 Uhr hätte man 24 Stunden in Frederikshaven pausieren müssen. Ich war also sehr glücklich, als ich am Freitagmorgen die Fähre betrat und somit die ersten 2.000 Kilometer hinter mir lassen konnte.
Checkpoint 3: Fähre nach Oslo
Nach acht Stunden auf der Fähre erreichten wir Oslo um 18 Uhr. Da viele die Nacht davor noch durchgefahren sind, um die Fähre zu erreichen waren wir circa 20 Fahrer. Gemeinsam haben wir die bisherigen Erlebnisse Revue passieren lassen. Generell war jeder der Fahrer sehr hilfsbereit und kommunikativ, ganz anders wie bei den normalen Radrennen, bei denen es oft nur darum geht, wer das teuerste Rad hat. Angekommen in Oslo war auch schon der dritte Checkpoint erreicht.
Vor den rund 2.400 Kilometern in Skandinavien hatte ich Respekt, da dort insbesondere das Wetter doch eher rau sein kann. Jedoch war das Profil für mich sehr passend ausgerichtet, da es eigentlich nur bergauf und bergab ging. Die Strecke führte zunächst durch die Wälder von Schweden vorbei an sehr vielen Seen. Ich glaube tatsächlich, Schweden besteht nur aus Seen und Wald. Was für eine landschaftliche Umstellung! Raus aus dem dicht besiedelten Deutschland und Dänemark und rein in das sehr weite Skandinavien. Zwischendurch gab es durchaus auch Abschnitte in denen weit und breit keine Tankstelle zu finden war. Deshalb war es wichtig, dauerhaft die Route in Google Maps zu überprüfen, um sich gut zu versorgen.
Nach knapp 1.100 Kilometern erreichte ich Mo I Rana, eine Stadt in Norwegen an der Atlantikküste. An diesem Abend war ich das erste Mal einfach nur überwältigt. Das Gefühl, in den Alpen gestartet zu sein und nach acht Tagen an der Atlantikküste in Norwegen zu stehen, ist einfach unbeschreiblich. Der nächste Tag war auch besonders, da es über diverse lange und extrem harte Anstiege nach Bodo ging. Dort fuhr ich gemeinsam mit einer Kanadierin und einem Italiener (und weiterhin auf Platz 6) mit einer Fähre nach Lofoten.
Tipp an alle: Besucht Lofoten! Ich war fasziniert von der Natur und der Vegetation.
Checkpoint 4: Unter den Top 5 in Svolvaer
Am frühen Mittwochmorgen erreichte ich die Stadt Svolvaer und damit den vierten Checkpoint. Ab jetzt waren es noch circa 800 Kilometer bis zum Ziel. Besonders an diesem Punkt packte mich der sportliche Ehrgeiz, denn ich war bereits auf Position 5 vorgefahren.
Die letzten zwei Tage wurden jedoch zu den härtesten auf dem Fahrrad in meinem Leben. Das Wetter war durchwachsen, es regnete immer mal wieder und der Wind kam ausschließlich aus Norden und bedeutete somit Gegenwind. Die Beine waren nach knapp 3.500 Kilometern in zehn Tagen nicht mehr die frischesten und der Kopf nach den letzten Tagen sowieso leer. Jedoch hatte ich meine Freunde, Familie und auch meine Arbeitskollegen im Store Koblenz, welche dauerhaft mitgefiebert haben und mich mental unterstützen. Daher konnte ich nochmals meine Kräfte mobilisieren und überholte Meaghan aus Kanada. Wow, Platz 4! Als ich das Schild “Northcape 4000: noch 99 Kilometer” am Straßenrand sah, gab es nur noch eine Option für mich: Vollgas voraus!
NorthCape4000 - auf der Zielgeraden
Zwei letzte Hürden galt es noch zu überwinden. Die erste war ein Unterwassertunnel mit einem Gefälle von 9 Prozent. Der Tunnel war zwar für Fahrradfahrer freigegeben, jedoch ebenso für Busse und LKWs. Tatsächlich eine Erfahrung, die ich nicht wiederholen muss. Die letzten 30 Kilometer standen an. Und passend dazu ließ sich sogar die Sonne blicken. Perfekt, um die letzten Momente dieses Rennens zu genießen.
Am 9. August um 19:12 Uhr war der NorthCape4000 geschafft: Nach 13 Tagen betrat ich das Besucherzentrum am nördlichsten Punkt Europas und holte mir den Finisherstempel und meine Urkunde ab. Was für ein unglaubliches Gefühl vor der Weltkugel-Skulptur zu stehen und ein Foto zu machen. Einfach unbeschreiblich!
Das Ergebnis: Platz 4 mit einer Zeit von 13 Tagen, 11 Stunden und 12 Minuten.
Was für ein wahnsinnig tolles Rennen. Ich kann den Northcape 4000 allen Rennradliebhabern wärmstens ans Herz legen! Falls ihr zunächst aber noch trainieren möchtet, haben wir euch hier die Lieblingsrennradstrecken unserer Rennradexperten zusammengestelllt.
Das Rennrad TRIBAN RC 520 war der treue Begleiter auf Niklas' Tour.
Mein Fazit zum TRIBAN RC 520? Super komfortabel auf der Langstrecke und trotzdem nicht träge, sondern ein waschechtes Rennrad. Jedoch habe ich das Fahrrad ein bisschen an meine Bedürfnisse angepasst, da ich so wenig Gewicht wie möglich bei der Fahrt dabei haben wollte. Daher war meine wichtigste Aufgabe, einige Teile gegen leichtere auszutauschen. Insgesamt hatte das Rad am Ende ein Gewicht von 15,8 Kilogramm.